Brief: Frankreich, den 15.Juni 1915

Zwanzig Wochen sind nun schon wieder vorüber, seitdem ich die Heimat (nach dem Urlaub) verlassen. Wer hätte das gedacht vor Jahresfrist und kaum liegen noch 6 Wochen Zeitraum dazwischen, so wird es schon jährlich, dass dieses alle Ideale über’n Haufen werfende Völkerringen am Gange ist. Zwar ist schon viel geleistet worden in dieser Zeit wo ringsum alles über uns herstürzte, aber die Zukunft birgt doch noch so manches in ihrem Schoß, was uns noch vorläufig verschlossen ist, so dass wir uns noch gar kein Bild machen können, wann, wie und wo einmal das Ende dieses Dramas ist. Es wird da gar viel geredet so oder so, das sind doch nur alles Kombinationen, die sich tagtäglich können ändern. Das sieht man wieder an Italien und was es mit dem ganzen Grobzeug auf dem Balkan noch gibt, soll mich auch noch wundern. Es ist doch eher keine Ruhe bis nicht Alles sich gegenseitig in den Haaren hängt. Da kann man auch mit Recht sagen: das Ende trägt die Last. Was ist da zu machen. Kopf hoch und immer das Beste gehofft von einem Tag auf den andern. ‚Nen Anfang hat der Rummel genommen, muss es auch ein Ende geben. Drum deutsches Herz verzage nicht, unser alter Herrgott wird auch mal den Schwindel satt werden, eines Tages muss es doch mal heißen:“Das Ganze Halt!“……Dies Jahr kamen wir Mittwochs Abends nach 12 Uhr hundsmüde aus Stellung nach hier. Andern Morgens 7 Uhr beim Wecken hieß es, wer in die Kirche gehen will, in einer Stunden antreten, natürlich war ich dabei (Fronleichnam). Nun ging“s aber Marsch-Marsch, dass man proper wurde und dann nach der circa 35 Minuten von hier rückwärts liegenden Kirche in Carrépuis, denn hier die Kirche liegt ja total in Trümmern.

2 Gedanken zu „Brief: Frankreich, den 15.Juni 1915

    1. Klaus Birkenbihl Artikelautor

      Ich kann es Dir aus dem Stand nicht sagen. Wie im „Vorwort“ erwähnt haben mein Vater, der inzwischen verstorben ist, und Michael Münch die Transkribierung gemacht. Die Originale sind bei Michael, der im Moment mit Anderem beschäftigt ist.
      Ich denke aber, beide Versionen sind in Gebrauch. Während die Amtskirche sicher von unser aller Herrgott spricht, weiß die Tante Volksmund auch von einem alters-milden, sehr geduldigen alten Herrgott, der lange beobachtet und die Menschen machen lässt, bevor er einschreitet.

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